A taste of honey

Albanien, dieses Land gehört irgendwie nirgendwo so richtig dazu – ist das noch Balkan?
Gehört das schon zur EU? War das noch Jugoslawien-Krieg oder Teil der Sowjetunion?
Ein scheinbar vergessenes Land, das über die Wildheit seiner Landschaften und seiner
Infrastruktur eines der letzten großen Reiseabenteuer auf dem europäischen
Kontinent suggeriert.
Inmitten dieser vergessenen Welt erzählt der Film „A TASTE OF HONEY“ die Geschichte
von Viseo, dem Imker, der einen Schatz behütet.
Viseo ist ein alter kauziger Mann, der seit 40 Jahren Honig macht. Früher machte er das
für den sozialistischen Staat. „Da war Honig noch so wertvoll wie Gold“, weiß er zu
berichten. „Für eine Tonne hat man ein ganzes Haus bekommen“. Doch das ist lange her
und vieles hat sich seit dem in dem Land und in dem Dorf, in dem er lebt verändert.
Nach dem Fall des eisernen Vorhangs überfuhr der Kapitalismus das von kleinen
Handgewerken geprägte Land quasi ungebremst.
Viseo imkert seinen Honig seitdem nicht mehr für den Staat, sondern, ja, für wen
eigentlich!?
Den Leuten aus dem Dorf gibt er jedenfalls nichts ab. „Die halten mich hier doch sowieso
alle für verrückt “. Und tatsächlich, hört man sich in Orikum um, dann erzählen die Leute
von Viseo nur als dem, der nicht mehr ganz dicht da oben ist. Er ist für einen Mann
seines Alters – mit 65 Jahren – so unangepasst wie man es sich hier in Albanien nur
vorstellen kann.
Und doch lässt er sich nicht beirren: er geht seiner Arbeit, seinem Handwerk so
beharrlich und voller Sorgfalt nach, wie es nur wahre Meister tun können. Der Honig
und die Bienen, sie sind das Zentrum seines Lebens. Jeden Tag läuft er zu Fuß zwei
Stunden zu seinen Bienenstöcken und dann in der Dämmerung wieder zwei
Stunden zurück, durch unwegsame Natur, vorbei an Hirten und ihren Herden. Viseo lebt
allein, er hat keine Familie und (fast) keine Freunde. Er wohnt in einem Schuppen, der
nicht viel größer ist als eine Garage. Er besitzt nur das Nötigste. Doch seine Behausung
ist auch deshalb so beengt, weil Viseo hier einen Schatz lagert. Es stehen dort an die 20
Fässer (ca 9-10 Tonnen) reiner Honig. Manche Fässer lagern hier schon seit 25 Jahren,
„das geht, Honig ist ja unverderblich“.
Wenn man weiß, dass es in Italien eine große Bank gibt, die den bekannten Parmigiano
Regiano (Käse) als Sicherheit für Kredite akzeptiert, vermag man den in den Fässern
lagernden Honig auch als monetären Schatz zu erkennen. Und Viseo selbst sieht das
ganz genau so: „Ich will das alles hier verkaufen, aber nur an jemanden, der den Wert
meines Honigs auch wirklich zu schätzen weiß. Zur Ruhe setzen werde ich mich danach
aber nicht. Wie die Bienen werde ich bis zum Schluß arbeiten“. Diese Worte, aus dem
Mund eines Mannes, der nach unserem Verständnis den Eintritt ins Rentenalter bereits
weit überschritten hat wirken unwirklich.
Jeden Tag wandert er morgens früh, wenn alle noch schlafen, zu seinen Bienenstöcken.
Er kennt sie genau, weiß, mit was die einzelnen Völker gerade zu kämpfen haben und er
weiß Erstaunliches zu berichten, über die Bienen, ihre Fähigkeit zur Kooperation und
ihre Bedeutung für das Ökosystem.
Ein Dokumentarfilm der durch seine Bilder, seine Musik und die Geschichte, von der er
erzählt – die Geschichte Viseo’s – anmutet als sei er ein Märchen.
Ein zeitloser Film über den Wert und die Bedeutung von Bienen und ihrem Honig. Ein
Film über das Handwerk und das Altern. Ein Film über ein vergessenes Land und ein
noch viel vergesseneres Dorf.

 

Malte Papenfuß

Bachelorarbeit WS 18/19
Betreut: Prof. Veruschka Götz
Zweitkorrektor: Tobias Gallé